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So bleiben, wie ich bin? Die Risiken der „blinden Flecken“


| Dr. Bernhard Rosenberger, Partner |


„Ich will so bleiben, wie ich bin.“ Was als Werbeslogan für Diätprodukte funktioniert, ist für Führungskräfte Himmel und Hölle zugleich. Himmel heißt: in der eigenen Komfortzone bleiben, sich ungebremst ausleben und authentisch sein. Hölle heißt: unreflektiert sein, nichts dazu lernen, die eigene Persönlichkeit in ihren Stärken, aber auch Schwächen nicht verstehen.

Ich erlebe viele Führungskräfte in Coachings, Trainings und Workshops. Erfolgreich und zufrieden sind eher die, die auch regelmäßig in den Spiegel schauen und sich mit sich selbst auseinandersetzen. Häufig lese ich auch Studien, die tendenziell immer Folgendes aussagen: 80 Prozent der Führungskräfte glauben, sie seien von ihren Mitarbeitern akzeptiert und sowohl effektiv als auch empathisch im Miteinander. Zugleich sagen aber 80 Prozent der Mitarbeiter, dass dies nicht so ist. Es scheint hier ein umgekehrtes Pareto-Prinzip zu gelten, bedingt durch Fehlwahrnehmungen und – wie es gerade auch in der Zeitschrift „Psychologie heute“ dazu hieß: „Ein Grund für das Auseinanderklaffen von Wunsch und Wirklichkeit ist offenbar, dass sie (die Führungskräfte, Anm.) selbst gar kein Problem sehen.“

Mit fatalen Folgen für viele Führungskulturen. Denn diese unbewussten Persönlichkeitsanteile von Führungskräften, auch „blinde Flecken“ genannt, führen ja leider auch zu vielfachem Fehlverhalten und vielen verdeckten Konflikten, die die Arbeit an den Unternehmenszielen und zum Wohle der Kunden erschweren und letztlich Geld kosten. Hier meine persönliche Liste möglicher „blinder Flecken“, auch zum Einstieg in ein mögliches Führungsfeedback gedacht:

• Angst vor Entscheidungen

• Unflexibilität im Denken und Handeln

• Extreme Wachsamkeit und extremes Misstrauen

• Fokussierung auf eigene Vorteile

• Selbstverliebtheit und narzisstische Züge

• Unstillbarer Drang nach Anerkennung und Selbstbestätigung

• Starke Sorge um öffentliches Image der Abteilung

• Starkes Machtstreben

• Blinder Ehrgeiz

• Starkes Konkurrenzdenken

• Unrealistische Ziele

• Übermäßige Ordnungsliebe

• Ausgeprägte Geselligkeit

• Perfektionismus

• Pausenloser Einsatz und zwanghafter Arbeitsdrang

• Neigung zu Gefühlsausbrüchen

• Schroffes Antreiben von Mitarbeitern

• Übersehen von (einzelnen) Mitarbeitern

• Fehlende Fähigkeit zuzuhören

Und das ist noch lange nicht alles. Jede Führungskraft hat „blinde Flecken“ – nobody is perfect. Gut, wenn sie bekannt sind. Und das geschieht am besten über mündliches oder schriftliches Feedback. Bewusstheit über die „blinden Flecken“ ist der erste, entscheidende Schritt bzw. die halbe Miete für den Führungserfolg. Wer weiter gehen will, fragt sich:

• Welche drei Führungsverhaltensweisen weisen die größten Diskrepanzen auf?

• Gibt es ein verbindendes Thema?

• Wie sind die Beurteilungen verteilt?

• Gibt es eindeutige Tendenzen oder große Unterschiede?

• Worauf sind die Unterschiede, z.B. zwischen einzelnen Mitarbeitergruppen oder Personen, zurückzuführen?

Am Ende geht es immer darum, als Führungskraft die ihr vom Unternehmen zugedachte Rolle gut auszufüllen und zugleich Mensch zu bleiben. Dann klappt das auch mit der Führung. Denn wie sagte schon der große Franzose Napoleon: „Es gibt keine schlechten Mannschaften. Es gibt nur schlechte Offiziere.“


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